Gedanken zum Vorwort




Gedanken zum Vorwort

Beitragvon flipp » Mi 9. Sep 2015, 21:45

Im Vorwort äußert Marx einen Anspruch auf Wissenschaftlichkeit. Er stellt aber fest, dass im Unterschied zur Naturwissenschaft ein wirtschaftliches System nicht frei von Störungen untersucht werden kann wie das z.B. in der Naturwissenschaft meistens der Fall ist. Den Gedanken finde ich interessant. In der Tat können wir beispielsweise in der Physik sehr genaue Gesetze erstellen und die Einwicklung eines Systems präzise vorhersagen. Die Gesetze erhalten wir aus Beobachtungen, wobei versucht wird möglichst alle Störelemente zu beseitigen, dann lässt sich ein Experiment beliebig oft unter den selben Bedingungen genau reproduzieren und man kann Vorhersagen über die Entwicklung des Systems in der Zukunft und unter anderen Bedingungen treffen. In den Wirtschaftswissenschaften ist dies sehr schwierig, da viele Interaktionseffekte existieren und man nie ein geschlossenes System für sich beobachten kann, da es sich dann anders verhält. Man sollte sich daher immer fragen, inwiefern exakte Vorhersagen möglich sind oder wann nur Vermutungen und Meinungen geäußert werden können. Das zu trennen finde ich schon enorm schwierig.

Aber der Anspruch Marx scheint ja auch zu sein von anderen Industrienationen (hier England) zu lernen und den Prozess woanders ohne die gravierenden Anfangsfehler (Geburtswehen) zu wiederholen. Man könnte überlegen inwieweit das noch aktuell ist, da z.B. England derzeit wirtschafltich in viel stärkerem Maße Geld aus den Finanzmärkten erwirtschaftet im Vergleich zur Produktion von realwirtschaftlichen Gütern als es in Deutschland der Fall ist und ob hier eine ähnliche Entwicklung bevorsteht.

Zusammenfassen könnte man diskutieren, ob Marx Intention wirklich ist wissenschaftlich Zuammenhänge aufzuzeigen oder diese Nutzt um seine Weltansicht populär zu machen?

Wie ist eure Meinung?
flipp
 
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Re: Gedanken zum Vorwort

Beitragvon Gast » Sa 12. Sep 2015, 18:57

Ich schreib auch erstmal auf was ich aus dem Vorwort mitgenommen habe. Ich glaube auch, dass Marx versucht allgemein gültige Sätze aufzustellen. Er spricht ja zum Beispiel von den „Naturgesetzen der kapitalistischen Produktion“ (S. 12). Er sucht sich England als Land seiner Beobachtungen aus, weil dies die „klassische Stätte“ des Kapitalismus ist, er hier also am weitesten fortgeschritten und entsprechend besser zu beobachten ist. Marx will auf Basis seiner Beobachtungen abstrahieren um die ökonomischen Formen zu analysieren (S.12). Besonders interessant finde ich, dass die neoklassische Theorie, die sich etwa zeitgleich entwickelt, genau umgekehrt vorgeht. Sie baut ihre Modelle auf normative Sätze (der Markt ist vollkommen, der Mensch handelt rational etc.) um anhand dieser Modelle dann positive, also wertfreie, Aussagen treffen zu können. Marx hingegen will anhand der tatsächlich beobachteten Verhältnisse Gesetze formulieren, anhand derer dann normative Aussagen getroffen werden. Die Bewertung seiner Gesetze unterstell ich ihm, er schreibt ja etwa auf S. 16 er zeichne die Kapitalisten keinesfalls in rosigem Licht oder von den von Philipp bereits zitierten Geburtswehen (auch S. 16).

Ob das heute noch anwendbar ist, kann man wohl erst nach der Gesamtlektüre sagen. Prinzipiell steht aber ja hinter jedem gehandeltem Wertpapier, selbst wenn es das tausendste Derivat ist, irgendwo etwas real Erarbeitetes. Und dass die Bewertung allein anhand von Angebot und Nachfrage nicht immer fehlerfrei läuft hat sich ja schon zur Genüge gezeigt.

Marx spricht auf S. 16 von Kategorien, Klassenverhältnissen bzw. nur Verhältnissen. Weiß jemand ob und wie sich diese Begriffe voneinander abgrenzen lassen? Außerdem drängt sich mir der Ausdruck „historischer Determinismus“ auf. Es geht oft darum, dass sich die Prozesse wiederholen müssen usw. Ich kenn lediglich den Begriff und hab nur ne vage Vorstellung davon, weiß also auch gar nicht ob der hier passt. Kann dazu jemand was sagen?
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